Ein investigativer Blick auf ein grenzüberschreitendes Betrugsnetzwerk – und was es über die Schwächen unserer Systeme verrät.
Ein unauffälliger Anfang
Im Frühjahr 2022 wurde in Portugal eine Firma mit dem unscheinbaren Namen Plantação de Negócios, Unipessoal Lda gegründet. Sie sollte angeblich Dienstleistungen im Bereich IT und Unternehmensberatung anbieten. Der einzige eingetragene Gesellschafter: Aliaksandr Kozyrau, ein belarussischer Staatsbürger mit Aufenthaltsgenehmigungen in mehreren Ländern – darunter Portugal und Paraguay.
Was wie eine gewöhnliche Gründung aussah, entpuppte sich bald als Teil eines komplexen, grenzüberschreitenden Netzwerks.
Ein Mann, viele Identitäten
Kozyrau nutzte seine internationale Mobilität geschickt aus: In offiziellen Registern taucht er in Litauen, Bulgarien, der Türkei, Nordzypern, Portugal und Brasilien auf. In jedem Land war er entweder als Anteilseigner, Geschäftsführer oder Bevollmächtigter aktiv.
Sein bevorzugtes Werkzeug: Firmengründungen durch Strohmänner, mit gefälschten oder unvollständigen Dokumenten, und in Rechtssystemen, die wenig Einblick in wirtschaftliches Eigentum gewähren.
Freihandelszonen als Einfallstor
Besonders auffällig: die Gründung mehrerer Unternehmen in der Freihandelszone von Famagusta (Nordzypern) – einer Region, die von der Türkei verwaltet wird und international nicht anerkannt ist. Aus internen E-Mails geht hervor, dass Kozyrau und seine Partner gezielt diese juristische Grauzone nutzten, um Steuern zu vermeiden und Kapitalbewegungen zu verschleiern.
Eine E-Mail eines lokalen Registrierungsberaters fasst es treffend zusammen:
„Für 4.500 USD gründen wir eine Firma mit 50.000 Euro Stammkapital, das nach der Eintragung wieder abgezogen werden kann. Pässe und Wohnsitzbescheinigungen reichen aus.“
Die Rolle der Banken
Geldflüsse aus Litauen wurden auf Konten in Türkischen Banken, unter anderem bei Türkiye İş Bankası, weitergeleitet. Ein identifizierter Überweisungsträger belegt eine Zahlung auf ein Konto unter dem Namen „Aliaksandr Kozyrau“ – mit dem Verwendungszweck „Consulting Services“. Nach Angaben von Quellen wurden offenbar keine nachweisbaren Dienstleistungen erbracht.
“Es wird vermutet, dass einige Transaktionen später in Kryptowährungen oder über Offshore-Plattformen umgeleitet wurden, laut internen Hinweisen.”
Internationale Untätigkeit
Trotz eines zivilgerichtlichen Urteils in Litauen vom März 2025, das Kozyrau zur Rückzahlung von mehr als 525.000 Euro verpflichtet, bleiben die internationalen Reaktionen bislang zögerlich. Eine strafrechtliche Untersuchung läuft zwar, aber die grenzüberschreitende Koordination ist – wie so oft – fragmentiert.
Anfragen an Banken, Regulierungsbehörden und Finanzaufsichtsstellen in Portugal, der Türkei und Nordzypern werden bislang nur zögerlich beantwortet.
Ein strukturelles Problem
Der Fall Kozyrau ist kein Einzelfall. Er steht beispielhaft für ein größeres, systemisches Problem:
- Wie einfach es ist, in verschiedenen Ländern juristische Personen zu gründen, ohne dass eine zentrale Kontrolle erfolgt.
- Wie schnell Geld heute bewegt werden kann – schneller, als Behörden reagieren können.
- Und wie leicht es ist, unter dem Radar zu operieren, solange man die Spielregeln kennt.
Ein Appell an Europa
Die Anti-Geldwäsche-Richtlinien der EU verlangen Transparenz und Zusammenarbeit. Doch in der Praxis bleiben Länder wie Nordzypern, Paraguay oder die TRNC außerhalb des Netzes – mit verheerenden Folgen.
Der Fall zeigt deutlich: Kriminelle nutzen gezielt diese Lücken, um Vermögen zu verschieben, Eigentum zu verschleiern und rechtliche Verantwortung zu vermeiden.
Fazit
Der Fall Kozyrau wird von Kritikern als Beispiel für neue Muster wirtschaftlich grenzüberschreitender Ausnutzung gesehen…: global vernetzt, rechtlich geschickt und digital unsichtbar. Obwohl ein zivilrechtliches Urteil in Litauen ergangen ist, laufen weitere Ermittlungen; strafrechtliche Vorwürfe wurden bislang nicht abschließend geklärt.
Für Behörden, Unternehmen und Journalisten ist dieser Fall eine Mahnung: Compliance reicht nicht, wenn Systeme nicht miteinander kommunizieren.
Denn im Zeitalter des digitalen Kapitaltransfers ist Zeit der wichtigste Faktor – und Kriminelle sind schneller.
Editor’s note: This article is based on available sources and open records. No criminal conviction has been issued, and all individuals mentioned are presumed innocent until proven guilty.